Zeit & Ort
14. März 2024, 20:00 – 21:00
Theater Moller Haus, Sandstraße 10, 64283 Darmstadt, Deutschland
Über die Veranstaltung
"Meine Worte, meine Rufe sind wie der Schall, der sich wie eine Welle in der Luft ausbreitet und immer leiser werdend weitergetragen wird, bis er schließlich irgendwo verklingt."
Was anfangs noch ein Geschenk war, entwickelt sich für Kassandra schnell zum Fluch. Ihre Fähigkeit, Dinge zu sehen und voraussagen zu können, wird ihr vom Gott Apollon verliehen, der ihr damit den Hof macht. Kassandra weist ihn aber schnell zurück, da sie der körperlichen Liebe entsagt hat. Aus gekränktem Stolz verfügt Apollon, dass niemand mehr den Worten Kassandras Glauben oder gar Gehör schenken darf. Und so sieht sie den tragischen Ausgang des Trojanischen Krieges kommen, versucht ihr Volk zu warnen – doch ihre Rufe verklingen ungehört. Sie wird gefangengenommen und an den Hof Agamemnons gebracht, wo sie Unheil und drohenden Tod voraussagt, doch auch hier wird sie nicht gehört und muss dem vorhergesagten, eigenen Tod ins Auge sehen.
Entlang unterschiedlichster Texte und Bearbeitungen des Kassandra-Motivs durch die Jahrhunderte hindurch, formen wir unser eigenes Bild und Verständnis einer Frau, die mit bester Absicht versucht drohendes Unheil abzuwenden, der jedoch keinerlei Gehör geschenkt wird. Unabhängig vom göttlichen Fluch wird Kassandra missachtet und in die damals übliche, untergeordnete Frauenrolle gedrängt. Durch die Brille der heutigen Zeit betrachtet, ist der in der Antike stattfindende Kampf Kassandras, die versucht in einem patriarchischen System ihre Stimme zu finden und sich Gehör zu verschaffen, eindeutig feministisch konnotiert. Kassandra präsentiert sich als Vorreiterin des Feminismus. Die Inszenierung dreht sich also weniger um den Mythos der Legende und ihre Handlung, sondern vielmehr um die Figur Kassandra an sich – ihr Innenleben sowie die Themen, die ihre Handlungen motivieren. Kassandras Tod ist jedoch keinesfalls das Ende. Vielmehr sind ihre Gefühle und ihre Situation derart universell, dass sie uns auch heute noch inspirieren können – egal welchem Geschlecht oder welcher Minderheit wir angehören.